Führungsrollen nach Robert Quinn

Die Anforderungen an Führungskräfte sind vielseitig. Je nach Situation muss eine Führungskraft in unterschiedliche Rollen schlüpfen, um ein Team nach vorne zu bringen und die Ergebnisse zu liefern, die von „oben“ erwartet werden. Aber welche Rollen musst du als Führungskraft überhaupt spielen? Und solltest du nicht vor allem authentisch sein? Rollen definieren wir als Bündel von Erwartungen. Erwartungen an eine bestimmte Person und von einer bestimmten Person in einer konkreten Situation.

Betrachten wir das an einem Beispiel: Stellen wir uns vor, du veranstaltest eine Party. Dann hast du die Rolle eines Gastgebers inne. Deine Gäste erwarten von dir vermutlich…

  • Snacks und Getränke,
  • dass du sie mit nette Leuten in Kontakt bringst,
  • eine gute Stimmung
  • Sitzgelegenheiten und
  • dass du deine Wohnung für die Party vorbereitet hast (d.h. keine Essensreste auf dem Sofa und sauberes Besteck und Gläser).

Dafür erwartest du von deinen Gästen…

  • kleine Beiträge zum Essen oder den Getränken,
  • eventuell Gastgeschenke,
  • höfliches Benehmen den anderen Gästen gegenüber,
  • keine Schlägereien und dass die Wohnungseinrichtung nicht zerstört wird.

Diese beiden Bündel an Erwartungen machen deine Rolle als Gastgeber aus. In anderen Situationen (z.B. bei der Arbeit oder bei einem Verkehrsunfall) wirst du es mit deutlich anderen Erwartungsbündeln zu tun haben.

Oft spricht man davon, dass du – gerade wenn du als Führungskraft neu bist – dich in deine Führungsrolle finden musst. Das heißt, du musst dir darüber klarwerden, welche neuen Erwartungen an dich gerichtet werden und welche neuen Erwartungen du an deine Mitarbeiter (und Ex-Kollegen) richtest. Ein kleiner Witz, der voll in Ordnung war, als du noch Kollege warst, kann eine ganze Menge Aufruhr erzeugen, wenn du ihn als Führungskraft machst – eben weil nun andere Erwartungen an dein Verhalten gestellt werden.

Letztendlich ist es aber nicht nur die eine Führungsrolle, an die du dich gewöhnen musst. Denn als Führungskraft bist du in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen Erwartungsbündeln konfrontiert. So erwartet man in einer Krisensituation von dir schnelles und entschlossenes Handeln und klare Entscheidungen. Während eines Mitarbeitergesprächs ist die Erwartung aber eher die, dass du empathisch bist, gut zuhörst und deinen Mitarbeiter motivierst.

Nach Robert Quinn sind es acht Rollen, die du als Führungskraft je nach Situation ausfüllen musst. Nur wenn du alle acht Rollen gut ausfüllst, kannst du und kann dein Team langfristig erfolgreich sein. Quinn ordnet diese acht Rollen in einer Matrix mit zwei Dimensionen an. Die eine Dimension ist Flexibilität versus Stabilität. Manchmal wird Flexibilität von dir verlangt. Du musst etwas Neues einführen, Prozesse anpassen und alte Verhaltungsmuster durchbrechen. Manchmal steht aber auch Stabilität im Vordergrund. Du sollst das Team stabil aufstellen und für möglichst wenig Fluktuation bei den Mitarbeitern sorgen. Du sollst Verhaltensregeln definieren und durchsetzen, die lange Zeit Bestand haben sollen.

Die andere Dimension bezeichnet Quinn als internen Fokus versus externen Fokus. Dein Handeln hat immer dann einen internen Fokus, wenn du darüber nachdenkst, was das was du tust für deine Mitarbeiter und das Team bedeutet. Ein Personalgespräch oder ein Teamevent hat immer einen internen Fokus. Aber auch wenn du Prozesse definierst, oder Arbeitspakete planst, denkst du darüber nach, wie dein Team optimal zusammenarbeiten kann.

Manchmal stehen für dich aber viel mehr die Arbeitsergebnisse im Vordergrund und dein Blick richtet sich nach außen, dh. auf die Geschäftsleitung, andere Teams oder Abteilungen in deiner Organisation oder auf deine Kunden. Wenn du mit externem Fokus handelst, dann hast du dabei im Kopf wie du Erfolge nach außen (z.B. bei der Geschäftsleitung) verkaufen kannst, wie du an notwendige Ressourcen (Personal, Geld, Arbeitsmittel) kommst oder wie du ein (von oben) gesetztes Ziel gegen Widerstände erreichen kannst.

An diesen beiden Dimensionen richtet Robert Quinn nun die acht Führungsrollen aus. Betrachten wir sie im Einzelnen:

Facilitator/ Moderator

Eine Führungskraft in der Rolle des Facilitators / Moderators tritt bei Konflikten als Mediator auf, gleicht Interessen aus und steuert Teambesprechungen und Sitzungen.  Auch handelt sie Kompromisse aus und fördert die Teamdynamik.  Wird die Rolle gut ausgefüllt, so bewirkt das ein gutes Teamklima, die Beteiligung und Einbeziehung aller bei Gruppenentscheidungen und schlanke, effiziente Teambesprechungen.

Mentor / Coach

Eine Führungskraft in der Rolle des Mentors kümmert sich um die einzelnen Teammitglieder, hat ein offenes Ohr für ihre Anliegen und ist ein guter Zuhörer. Eine Führungskraft in dieser Rolle lobt, erklärt und unterstützt. Sie fördert die Entwicklung jedes einzelnen. Sie ist empathisch und verständnisvoll, offen und fair. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, so fühlen sich Teammitglieder alleingelassen, entwickeln sich nicht weiter und verlieren die Bindung an das Unternehmen.

Koordinator / Manager

Eine Führungskraft in der Rolle des Koordinators weist Aufgaben zu, plant Arbeitsabläufe, sorgt für die Einführung und Einhaltung effizienter Prozesse und rechtlicher Vorschriften. Sie behält den Überblick – auch über Budgets, Zeitpläne und sonstige Ressourcen. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, dann entwickelt sich die Zusammenarbeit im Team chaotisch. Einzelne Teammitglieder entwickeln uneinheitliche und ineffiziente Prozesse und Lösungswege. Ressourcen werden ineffizient eingesetzt, Doppelarbeiten und aneinander-vorbei-Arbeiten kommen häufig vor. Zeitpläne werden nicht eingehalten und Budgets überschritten.

Kontrolleur / Vorgesetzter

Eine Führungskraft in der Rolle des Kontrolleurs kontrolliert, analysiert, dokumentiert und managt Informationen. Sie behält den Überblick darüber, was im Team vor sich geht. Sie prüft Arbeitsergebnisse und Leistungen und sanktioniert Fehlverhalten. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, so werden Ineffizienzen nicht erkannt und nicht abgestellt. Fehlverhalten wird nicht sanktioniert und es entsteht eine Teamkultur, in der solches Verhalten als akzeptabel gilt.

Produzent

Eine Führungskraft in der Rolle des Produzenten sorgt dafür, dass Ergebnisse erreicht und Aufgaben zu Ende geführt werden – auch gegen Widerstände. Sie managt Zeit, Stress und Produktivität. Sie optimiert die Performance eines Teams. Sie übernimmt Verantwortung und motiviert zu Verhalten, das sich in Ergebnissen niederschlägt. Als Produzent ist sie aufgabenorientiert und gestaltet eine möglichst produktive Arbeitsumgebung für das Team. Sie hat immer das letztendliche (große) Ergebnisziel im Auge. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, bleiben Projekte stecken und Ziele werden nicht umgesetzt.

Regisseur

Eine Führungskraft in der Rolle des Regisseurs entwickelt und kommuniziert eine Vision. Sie plant Aktivitätsziele und Milestones und definiert die Aufgabenteilung. Sie setzt Prioritäten und formuliert Erwartungen. Sie trifft Entscheidungen um konkrete Probleme zu lösen und gibt Anweisungen. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, dann werden Ziele missverstanden, die falschen Ziele verfolgt und die falschen Prioritäten gesetzt.

Innovator

Eine Führungskraft in der Rolle des Innovators geht Veränderung proaktiv an. Sie erkennt frühzeitig, welche Veränderungen notwendig sind und setzt sie um. Dabei ist sie kreativ und entwickelt Visionen für die Zukunft. Sie hat ein feines Gespür dafür wohin sich Märkte bewegen, wie sich Prozesse neuen Anforderungen anpassen lassen und was Kunden sich in Zukunft wünschen. Sie sorgt für frischen Wind. Wird diese Rolle nicht aufgefüllt, werden Veränderungen verschlafen und das Team tritt auf der Stelle.

Netzwerker / Außenvertreter

Eine Führungskraft in der Rolle des Netzwerkers / Außenvertreters kümmert sich darum, externe Ressourcen für das Team zu beschaffen (Geld, Mitarbeiter, Arbeitsmaterial) und macht die Arbeitsergebnisse des Teams in der Organisation sichtbar. Sie formt strategische Allianzen mit anderen Akteuren und pflegt Beziehungen außerhalb des Teams. Sie baut für das Team Brücken nach außen. Wird diese Rolle nicht gut ausgefüllt, erhält das Team nicht die Ressourcen, die es benötigt und die Erfolge des Teams werden in der Organisation nicht wahrgenommen und beachtet.

 

Wie gut füllst du diese acht Rollen aus? Ich bin mir sicher, dass dir manche leichter fallen werden als andere. Überlege dir, welche Rollen du stärken möchtest, damit du langfristig als Führungskraft erfolgreich sein kannst.